Ideenweberei – Eine kurze Erklärung vorab:

Hier werden Ideen gesponnen über Themen, die mich beschäftigen und ich möchte meine Gedanken gerne mit euch teilen. Ich bin der Überzeugung, dass Jede*r von Jede*r*m lernen kann.

Meine Ideen mögen nicht immer vollständig sein, dürfen von euch weitergedacht, verändert oder vollkommen neu gedacht werden. Ich hoffe, dass sie euch zumindest inspirieren, darüber nachzudenken, sie eventuell in eurem (Arbeits-) Leben auszuprobieren, zu drehen oder zu verändern, so dass es für euch passt.

Ziel ist es, Anregungen und Impulse zu geben, über den Tellerrand hinauszuschauen, neue Perspektiven zu schaffen, Offenheit und Neugier für Innovatives, Andersartiges und Neues zu fördern

In meinen zwanzig Jahren als Diplom-Pädagogin konnte ich in unterschiedlichsten Arbeitsfeldern Erfahrung sammeln, sowohl in Deutschland, als auch im Ausland. Das Leben an sich hat mir viel Inspiration geschenkt – einzig und allein dadurch, dass ich Risiken eingegangen bin, Muster gebrochen und neue, andere Wege beschritten habe. Beide dieser Aspekte fließen in meine Ideenwebereien ein.

Wenn euch auffällt, dass es bereits konkrete Projekte oder Angebote gibt, die in meinen Ideenweberei-Blogartikeln angeschnitten werden, schreibt mir gerne, dann füge ich sie ein.

Ein Lösungsansatz für die Kitakrise?

Aktuell füllen die Medien ihre Seiten mit Schlagzeilen wie „Kitas, die Verwahrlosungsstätten“ oder „Erzieher am Limit“ und aus Erfahrung weiß ich (Diplom-Pädagogin mit mehr als zwanzig Jahren Berufserfahrung in unterschiedlichen pädagogischen Arbeitsfeldern), dass dies zum Teil die Praxis durchaus widerspiegelt. Es spiegelt allerdings noch etwas anderes wider: Das ewige Jammern – nur eben jetzt auch im öffentlichen Stil.

Es wird viel über Politik gesprochen (bspw. der Rechtsanspruch auf einen Kita-/Krippenplatz, das Gute-Kita-Gesetz), viel über Erzieher*innen (sie sind am Limit) und die sich verlierende Qualität der Einrichtungen. Vereinzelt tauchen auch Berichte von Eltern auf, die langsam ebenfalls ans Limit kommen – wegen der Kind-krank-Tage und dem fehlenden Verständnis des Arbeitgebers.

An allen Ecken wird sich bemüht, eine Lösung zu finden, doch sind diese bisher kurzfristig und wirken dem Aufwertungsversuch des Erzieher*innenberufes entgegen: Pädagogisch Unqualifizierte, die in Kitas aushelfen sollen und höchstens ein Trostpflaster sind, das nach kurzer Zeit wieder abfällt. Die Diskussion um Lösungen zum Erzieher*innenmangel ist meines Erachtens schon lange nicht mehr konstruktiv.

Was Vielen nicht klar zu sein scheint in der Debatte um den Erzieher*innenmangel, ist, dass wir ein gesellschaftliches Problem haben: Wir stecken alle mit drin.

Pädagog*innen haben noch immer keine starke Lobby und das hängt meines Erachtens mit ihrer Haltung zusammen, die nun mal pädagogisch orientiert ist. „Für die Kinder“ ist ein vielgehörter, wenn auch durchaus berechtigter Satz. Denn in unserer Arbeit geht es eben um diese. Das zieht aber auch eine emotionale Komponente mit sich, denn erfolgreiche Beziehungsarbeit basiert auf Emotionen. Damit und unserem Fachwissen kommen wir aber nicht weit.

Es ist an der Zeit, dass Pädagogik einen starken Kooperationspartner für sich gewinnt und gemeinsam eine Lösung geschaffen wird. Diesen starken Partner sehe ich in der Wirtschaft. Hier sind Menschen, die sehr sachlich, rational und ökonomisch orientiert denken. Sollten sie auch, denn das ist grob gesagt, ihr Tagesgeschäft.

Für manch einen mag sich das zu vereinfacht anhören (Wirtschaft = Kopf, Pädagogik = Herz) und damit ist nicht gemeint, dass beiden jeweils das andere fehlt. Ich sehe lediglich darin ihre Stärken und bin der Meinung, dass diese Stärken sich gegenseitig sehr gut ergänzen.

Wie kann Wirtschaft als Kooperationspartner gewonnen werden, dass sie aktiv an einer Lösung mitarbeiten?

  1. Die Wirtschaft sollte sich fragen, ob sie in 10-20 Jahren funktionsfähige Arbeitnehmer*innen beschäftigen möchten oder von psychosomatischen Erkrankungen gebeutelte Arbeitnehmer*innen. Bereits bei Grundschüler*innen ist ein Anstieg von psychosomatischen Erkrankungen zu verzeichnen – und das nicht erst seit der Pandemie. Etwas läuft im Bildungssystem gerade falsch und das können wir gemeinsam angehen.
  2. Die Grundsteine für gesunde Arbeitnehmer*innen werden in der frühkindlichen Bildung gelegt. Hier fängt eine Bildungskarriere an und damit ist auf keinen Fall gemeint, dort bereits den Leistungsmaßstab anzusetzen und Kinder zu konditionieren. Nein, Die Bildungskarriere fängt in einer sicheren, vertrauensvollen Umgebung an, in der Kinder ihren Interessen und Bedürfnissen nachgehen können, um so die Freude am Lernen zu entwickeln. Und eben dafür braucht es einen angemessenen Personalschlüssel.

Wie könnte eine Kooperation aussehen?

Bspw. durch Stipendien von Unternehmen

Es gibt durchaus interessierte Menschen, die den Umstieg in den Erzieherberuf aufgrund von fehlenden Finanzen nicht in Betracht ziehen. Unternehmen könnten angehende Erzieher*innen und Kindheitspädagog*innen finanziell unterstützen. Das könnte bspw. in Form eines Stipendiums erfolgen. Sollten Unternehmen eine spezielle Sozialabgabe tätigen, um Erzieherschulen finanziell zu unterstützen, sodass sie kostenfrei sind?

Sicher, mit der PIA-Ausbildung hat sich schon ein Schritt in die richtige Richtung getan, aber es ist noch nicht genug.

Ich bin mir nicht sicher, inwieweit diese Form der Freiwilligenarbeit bereits in Deutschland besteht, aber ich würde an dieser Stelle gerne von einer positiven Erfahrung aus den USA erzählen: Firmen fördern die Freiwilligenarbeit durch ihre Arbeitnehmer*innen an Schulen, indem sie als Arbeitszeit gelten. Ein bestimmtes Kontingent sollte jeden Monat erreicht werden. Dadurch wird das Gemeinwohl unterstützt und Eltern können sich an den Schulen, die ihre Kinder besuchen, engagieren und Zeit mit ihnen verbringen.

Auf welche Veränderungen könnte Pädagogik bzw. Politik sich einlassen?

Eine Idee, die mir bereits seit 2011 im Kopf schwirrt, ist eine neue Betreuungsform durch Eltern, die in etwa so aussehen könnte:

Einrichtungsform: Ähnlich wie Spielgruppen, Elterninitiativen und Elternkursen. Eine Vereinigung, unter deren Dach Kinderbetreuung durch Eltern stattfindet, begleitet von einer Fachkraft (Kinder werden nicht ohne einen Elternteil betreut).

Ort und zeitlicher Rahmen: Es würde sich um kleine Einrichtungen/Häuser handeln, die nur stundenweise geöffnet haben. Bspw. nur Vormittags oder nur Nachmittags. Denkbar wäre auch ein Wechsel von Vor- und Nachmittag.

Alter der Kinder: 0-6 Jahre.

Finanzierung: Die Tätigkeit sollte bezahlt sein. Vielleicht durch Töpfe wie Elterngeld (der Betrag müsste allerdings höher sein, damit es attraktiv ist), vielleicht können Unternehmen hier eine Sozialabgabe leisten oder Patenschaften für dieses Modell übernehmen? Wirtschaft könnte auch hier wieder unterstützend tätig sein, wie oben bereits vorgeschlagen durch Freiwilligenarbeitsstunden.

Ziele: Entlastung der Kitas, Eltern und Kind bleiben länger zusammen, Eltern und Kinder lernen gemeinsam, Gemeinschaftsgefühl entwickeln und stärken, erweiterte Familie.

Elternkurse, Zertifikat: Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines solchen Betreuungskonzept wäre die Teilnahme an Elternkursen. Inhalt dieser Kurse: Bspw. kindliche Entwicklung, Kindeswohlgefährdung, Hygiene, Ernährung, theoretische Bildungskonzepte etc. Darüber könnte das Interesse an einer vollen Erzieherausbildung geweckt werden. Die abgeleisteten Stunden (Betreuung und Kurse) sollten meiner Meinung nach der Ausbildung später angerechnet werden.

Schwierig wird es, wenn dadurch Kitaplätze nicht mehr in Anspruch genommen werden können, weil keine Vollzeit-Ganztagsbetreuung mehr notwendig ist. Hier müsste die Politik mit ins Boot genommen werden, um Rechtsansprüche für Halbtagesplätze in Kombination mit dieser Art der Elternbetreuung zu verknüpfen.

Klingt utopisch? Ist es nicht, denn in Neuseeland gibt es genau dieses Konzept (PLAYCENTRE) und ich habe sehr gute Erfahrung damit gemacht. Mehr dazu weiter unten.

Fazit: Wir haben kein Erzieher*innenmangel-Problem, wir haben ein Haltungs-Problem

Wir müssen das Rad nicht komplett neu erfinden, sondern können durchaus auf unsere bereits vorhandenen Ressourcen zurückgreifen, diese aber mit Ideen aus anderen Gesellschaftsbereichen oder anderen Ländern verknüpfen, um etwas Neues entstehen zu lassen.

Dafür müssen wir aber alle ran und daher habe ich folgende Appelle…

…an die Wirtschaft: Lasst uns zusammenarbeiten und ein starkes Team bilden. Wir brauchen uns gegenseitig, denn wir Pädagog*innen legen die Grundsteine für erfolgreiche Arbeitnehmer*innen. Erfolgreiche Arbeitnehmer*innen sind übrigens auch entlastete Eltern. Diejenigen, die nicht mehr den Ärger und die Kündigung befürchten, weil ihr Kind zu oft krank war. Hier braucht es seitens der Wirtschaft mehr Verständnis. Vereinbarkeit von Familie und Beruf heißt übrigens nicht, ein Kind Vollzeit in einer Einrichtung unterzubringen, um als Eltern selbst Vollzeit arbeiten gehen zu müssen.

…an die Eltern: Wir schaffen es gerade nicht mehr allein. Wir brauchen euch und ihr seid wieder mehr für die Betreuung gefragt. Vielleicht ist oben genanntes Betreuungsmodell attraktiv für euch?

…an die Politik: Bitte offener sein, keine alten Ideen aufgreifen und auf Teufel-komm-raus umsetzen wollen. Die Diskussion um Kassiererinnen in Kitas hatten wir bereits vor einigen Jahren und wird nun durch unqualifizierte Helfer*innen wieder entfacht. Warum Energie für etwas Altes verschwenden, wenn es möglich ist, über den Tellerrand zu schauen und sich von andern inspirieren zu lassen?

…an die Medien: Der Fokus sollte auf lösungsorientierten Berichten liegen. Berichte, die Neugier wecken für den Erzieherberuf. Eure Stärke ist es, zu recherchieren und Themen ins Bewusstsein zu rufen. Es gibt mit Sicherheit eine Menge Konzepte da draußen, die wir nicht auf dem Schirm haben. Findet sie – mit uns zusammen.

Last but not least, habe ich zwei letzte Fragen:

Sind wir als Gesellschaft schon bereit, Ideen außerhalb der Box zu spinnen und haben den Mut uns auf neue Wege einzulassen? Oder werden wir weiterhin an starren, altbekannten Mustern festhalten?

Mehr Informationen: Playcentre

Playcentre ist eine Familienorganisation. Es geht in erster Linie darum, dass Erwachsene und Kinder gemeinsam lernen und zusammenwachsen. Eltern werden dabei als erste und beste Erzieher ihrer Kinder geschätzt und anerkannt, so dass whanau (erweiterter Familienkreis) gestärkt und Gemeinden bereichert werden. Es gibt eine Dachorganisation, die sich um die Verwaltung kümmert und Qualität sicherstellt (New Zealand Playcentre Federation).

Schwerpunkte: Unterstützung von Familien bei der Kinderbetreuung, Schaffen von Gemeinschaftsgefühl.

Gebühren für Eltern: Individuell. Jedes Playcentre hat eigene Gebühren, Eltern können vom Staat einen Zuschuss erhalten.

Staatliche Förderung: Alle Playcentre erhalten jene Fördermittel, die auch alle neuseeländischen Kindergärten erhalten.

Einrichtungsform: Ähnlich wie Spielgruppen, Elterninitiativen und Elternkursen.

Alter der Kinder: 0-5 Jahre (in Neuseeland ist Schuleintritt ab dem fünften Geburtstag)

Zeitlicher Rahmen: Meist ca. 3 – 4 Stunden, je nach Playcentre morgens oder nachmittags.

Eltern als Erzieher: Das Playcentre-Diplom

Das Playcentre-Diplom kann durch Weiterbildungen im Bereich „Frühkindliche Bildung“ erworben werden – die Teilnahme an den Workshops ist sogar eine Voraussetzung, um sein Kind im Playcentre betreuen zu können. Das Diplom ist im neuseeländischen Nationalen Qualifikationsrahmen anerkannt. Es ist ein Programm für frühe Kindheit und Erwachsenenbildung. Obwohl Playcentre-Diplom einen guten Ruf hat, ist es qualitativ nicht hoch genug, um damit in anderen Einrichtungen der frühkindlichen Bildung zu arbeiten.