Es gibt da ein Thema, das für mich immer wieder aufploppt und an dem ich etwas verändern will: Reduzierte Kommunikation.

Noch nie gehört? Ich auch nicht, aber treffender kann ich es nicht bezeichnen.

Zunächst ist mir bei anderen aufgefallen, dass sie statt dem früher noch gängigen Telefonat lieber eine Textnachricht oder Sprachnachricht schicken. Bis ich erkannte: Ich gehöre genauso dazu!

In den letzten Monaten bin ich sogar richtig faul geworden und habe Nachrichten eher mit emojis bewertet als mit einem vollständigen Satz zu antworten. Die Nachrichten habe ich meist eher nur überflogen (meine Güte, an manchen Tagen kommen aber auch echt viele rein! Geht es euch auch so?) und ich wollte die andere Person nicht ewig auf eine Antwort warten lassen. Also eben mal schnell ein emoji als Antwort.

Und nach und nach wird mir klar, wieviel hier eigentlich verloren geht. Doch lasst mich von vorne anfangen:

Hilfe! Ein unerwarteter Anruf!

Wer in den 80ern (wie ich) aufgewachsen ist, weiß, dass es mal eine Zeit gab, in der Kommunikation in ganzen Sätzen und per Telefonat (oder eben persönlichem Gespräch) stattgefunden hat.

Mittlerweile ist es sogar befremdlich für mich, wenn plötzlich mein Telefon klingelt und mich jemand, den ich kenne, aus heiterem Himmel anruft – was so gut wie nie vorkommt. Wenn ich richtig überlege, kam das seit Jahren nicht mehr vor…dabei war das früher doch das Normalste der Welt.

Telefonate werden (meist über whatsapp) vorab vereinbart, Datum und Uhrzeit genau festgelegt. Spontanität ist nicht mehr. Die Steigerung? Sprachnachrichten, die hin und her geschickt werden. Nochmal zur Erinnerung: Ich gehöre hier genauso dazu.

Social Media und echte Verbindungen

Wie teilt ihr eure Erlebnisse mit? Lasst mich raten: Facebook/Instagram posts und stories, Whatsapp Status oder Fotos per whatsapp.

Der Vorteil? Eine breitere Masse wird erreicht. Das gibt das Gefühl, von ganz vielen Menschen gesehen zu werden. Schön, oder? Dabei ist es gar nicht das, was wir wollen. Denn mal ehrlich, (fast) jeder Mensch sehnt sich nach tiefen, bedeutungsvollen Verbindungen und wenn ein Bekannter (den ihr seid 5 Jahren nicht gesehen/gesprochen habt) kurz nachfragt „wo war das?“ oder Caymen3456 euren insta post liked, dann erlebt ihr ein kurzzeitiges Hoch – und dann die Leere.

Denn: Welche Qualität steckt hinter dieser Verbindung?

Aber hey, ist ja nicht alles schlecht!

Stimmt. Verbindungen halten über Distanz ist durch social media und beispielsweise zoom besser geworden. Ich mag es auch zu sehen, was meine Bekanntschaften aus meinen Auslandsaufenthalten heute so machen. Nicht, dass wir dadurch mehr Kontakt hätten, aber man ist eben weiterhin irgendwie verbunden.

Manchmal sehe ich auch einen insta post oder whatsapp Status und denke „Moment mal, wann hatten wir das letzte Mal Kontakt? Oh, wird mal wieder Zeit!“. Mir dient es als Erinnerung, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Es gibt für mich plötzlich nicht mehr das „aus den Augen, aus dem Sinn“

Ohne whatsapp video calls wäre ich vermutlich nicht mehr mit Freundinnen aus Kanada im Kontakt und unsere Verbindung ist durchaus nicht oberflächlich geworden – ganz im Gegenteil!

Die Konzentrationsfähigkeit wird bestimmt ein bisschen erhöht, denn bei einer 5-8 minütigen Sprachnachricht muss man sich schließlich alles merken, um darauf mit einer Sprachnachricht antworten zu können.

Fragen über Fragen

Dennoch nagt das Thema an mir, denn aus meinen Beobachtungen entstehen für mich viele Fragen:

  • Führen wir generell weniger persönliche Gespräche (von Angesicht zu Angesicht)?
  • Welche Folgen hat die verkürzte und reduzierte Kommunikation durch die Verwendung von emojis, gifs, memes?
  • Geht dadurch vielleicht sogar Sprachfähigkeit verloren? Beispielsweise das Formulieren von vollständigen Sätzen, verbalisieren von Emotionen, mitteilen von Erlebnissen und Geschichten.
  • Verlieren wir Empathie, weil wir Symbole (emojis, gifs, memes) nutzen statt in den Gesichtern und der Körperhaltung unseres Gegenübers zu lesen und einzuschätzen?
  • Verkümmert unsere Kommunikation dadurch zu Oberflächlichkeit mit dem Verlust von Tiefe, Nähe und Verbindung?

Wie konnte es dazu kommen?

Bequemlichkeit: Zeit ist Geld. Während die grauen Herren sich im Hintergrund die nächsten Zigarren aus unseren Zeitblumen drehen und sich die Hände reiben, tippen wir fleißig schnell Nachrichten, posten noch rasch ein Foto oder sprechen fünf Minuten eine Sprachnachricht, denn ein Telefonat birgt die Gefahr, dass es 30 Minuten dauert.

Bewältigungsstrategie: Haben wir durch whatsapp und Co. einen anderen Umgang gelernt mit der Informations- und Nachrichtenflut? Einer, der uns nicht das Gefühl gibt von permanenter Reizüberflutung?

Alle machen es. Brutal, wie sich die reduzierte Kommunikation als Verhalten in unseren modernen Gesellschaften in den letzten Jahren eingeschlichen hat, oder? Das menschliche Miteinander wird anonymer und unverbindlicher. Da komme ich mir manchmal komisch vor, wenn ich denke „ich rufe jetzt einfach an anstatt hin und her zu schreiben“. Kennt ihr das?

Angst vor Ablehnung? Ich frage mich, ob diese Angst ein Grund sein könnte, nicht mehr einfach so anzurufen. Was, wenn die angerufene Person nicht ans Telefon geht? Löst das bei manchen Menschen eventuell ein Gefühl von Ablehnung aus?

Angst vor der Reaktion des Gegenübers? Wenn ich mit anderen im direkten Kontakt bin (also in einem Raum), dann könnte die andere Person mir widersprechen oder seltsam gucken und das behagt dann so gar nicht?

Fazit

Ich habe mir vorgenommen, mehr darauf zu achten, dass meine Kommunikation nicht abrutscht. Schreiben hilft mir, aber auch die Aufsicht auf eine neue Herausforderung.

Was könnt ihr tun, um eure Kommunikation und Verbindung zu anderen zu stärken?

Greift zum „Hörer“: Ruft aus heiterem Himmel bei eurer Familie oder Freund*innen an. Spürt ihr schon den Nervenkitzel? 😉

KI nutzen: Habt ihr schon von manifestieren gehört? Der Vorgang, bei dem ihr euch ein Ziel oder einen Traum vorstellt, das/den ihr erreichen möchtet. Schickt ihr dabei emojis an das Universum, Gott, euer zukünftiges Selbst? Nein. Ihr stellt es euch bildlich vor oder formuliert Sätze. Manche von euch werden die Manifestation vermutlich sehr genau beschreiben bzw. visualisieren. Doch was, wenn ihr nach und nach die Fähigkeit verliert, eure Wünsche mitzuteilen, weil eure Kommunikation sich soweit reduziert hat, dass es euch so richtig schwerfällt?

Aber keine Sorge, das kann man sich wieder antrainieren:

Schließt die Augen und stellt euch eine Alltagsszene vor. Malt es euch in allen Details aus. Öffnet nun chatgpt und bittet die KI euch ein Bild zu erstellen. Beschreibt genau euer imaginäres Bild, mit Gesichtsausdrücken, Stimmung der Menschen, Kleidung, Wetter. Macht das so detailgetreu wie nur möglich und schaut, was dabei rauskommt. Wenn ihr merkt, dass das Ergebnis vollkommen daneben ist: Welches Detail hat der KI gefehlt?

Vollständige Sätze: Schreibt eine ganze Antwort anstatt eben mal schnell mit einem „Daumen hoch“ zu bestätigen

Trefft euch. Nutzt videocalls. Nehmt euch die Zeit.

Ein anderer Umgang mit Informationsflut: Was ist wirklich wichtig? Müsst ihr auf alles reagieren?

Und ich? Ich werde mich wieder mehr bemühen in ganzen Sätzen zu antworten. Und ja, bei mir geht auch der Nervenkitzel los, wenn ich daran denke, einfach mal so OHNE VEREINBARUNG jemanden anzurufen. Aber: Challenge accepted.